Einen wunderschönen guten Tag, ihr Lieben!
Die liebe Livia und ich haben uns in den letzten eineinhalb Wochen intensiv mit der Neuerscheinung Du erinnerst mich an morgen von Katie Marsh beschäftigt. Es ist das zweite Buch der Autorin und wir waren beide sehr gespannt, was die Geschichte mit sich bringt. Die Liebe ist kein schlechter Verlierer, Katie Marshs Debüt, konnte uns im letzten Jahr gleichsam überzeugen. In den Kommentaren zu unserer kleinen Blogleserunde haben wir uns immer abwechselnd zu den einzelnen Leseabschnitten ausgetauscht. Damit diese Eindrücke, aber auch das Gelesene an sich nicht einfach so stehen bleiben, wollen wir euch an unseren allgemeinen Empfindungen zum Buch wieder einmal in Interviewform teilhaben lassen. Und: heute ist der Welttag des Buches! Anlässlich der alljährlichen Bloggeraktion Blogger schenken Lesefreude beteiligen die liebe Livia und ich uns ebenfalls. Mehr dazu dann aber weiter unten :-) Hier kommt nun erstmal das Interview mit der lieben Livia:
Katie Marsh Du erinnerst mich an morgen | Gegenwartsliteratur| Broschur, 430 Seiten | Preis: 12,99€| erschienen am 10. April 2017 | ISBN: 9783453291904 | Hier bestellen: ThaliaeBook*amazon
Wir hoffen, euch hat diese Form der Rezension wieder gefallen. Wir drücken euch die Daumen für die Verlosung!
Habt einen tollen Welttag des Buches :-)
Darum geht es:
Zoe will gerade die Zukunft mit ihrer großen Liebe Jamie beginnen, als sie ihre Vergangenheit einholt. Kurz vor der Trauung erreicht sie der Hilferuf ihrer Mutter, mit der sie seit Jahren nicht gesprochen hat. Ohne nachzudenken verlässt Zoe die eigene Hochzeit und findet eine veränderte Mutter. Die Neuigkeit trifft sie mit voller Wucht: Gina ist mit gerade mal Anfang fünfzig an Alzheimer erkrankt. Der Alltag wird bedrohlicher, die Versöhnung mit ihrer Tochter immer dringlicher. Zoe will Gina beistehen, ist aber auch damit konfrontiert, dass Jamie sie nach der geplatzten Hochzeit verlassen hat. Ist er bereit, ihr eine zweite Chance zu geben? Und können Mutter und Tochter die Vergangenheit überwinden, jetzt da Gina ihre Erinnerung langsam, aber unaufhaltsam verliert?
Unsere Eindrücke - Interview-Rezension mit Livia
1. Liebe Livia, wir hatten ja bereits zu Beginn der Leserunde ausgiebig über das Cover gesprochen. Hat sich die Bedeutung des Covers für dich im Verlauf des Buches verändert, oder interpretierst du das Coverbild noch genau gleich wie vor der Lektüre?
Zuerst: das Cover gefällt mir sehr, sehr gut. Die kräftigen Farben und die Anordnung der einzelnen Blütenblätter/Erinnerungsstücke/Gedankenfetzen sind ein wahrer Blickfang und machen in meinem Bücherregal total etwas her :-) Auf mich wirkte das Cover aufgrund der Farben fröhlich und melancholisch zugleich, wie ein schmerzlicher Verlust, der aber trotzdem mit schönen Erinnerungen einhergeht. Dies hatte ich dann natürlich auch vom Inhalt erwartet. Fröhlichkeit habe ich zwar schon irgendwie bekommen, Drama auch (aber nicht dort, wo es gepasst hätte), aber Melancholie habe ich leider vergebens gesucht. Coverfan bleibe ich aber natürlich nach wie vor :-)
2. Ich persönlich hatte erst etwas Schwierigkeiten, mich auf Zoe einzulassen, dir fiel es im Gegensatz zu mir sehr leicht. Warum? Was fandest du an Zoe so faszinierend?
Zoe wirkte auf mich zwar nervös, aber stark und entschieden. Sie stand da, am Tag ihrer Hochzeit, unsicher, ob sie die richtige Entscheidung treffen würde und das hat mich berührt. Und zwar nicht, weil ich die Situation kenne oder mir wünsche, mir an meinem Hochzeitstag überlegen zu müssen, ob ich wirklich heiraten will, sondern weil ich da das Gefühl hatte, dass sie eine tragische Erfahrung mit sich herumschleppt, die ihr Leben stark beeinflusst hat und weiterhin beeinflussen wird. Sie hat verletzlich gewirkt. Und trotzdem habe ich mit allem gerechnet. Weil die Situation schon fast zu schrill geschildert war, hätte ich mir auch gut vorstellen können, dass es total humorvoll weitergehen könnte. Eigentlich war der Anfang für mich darum perfekt. Eine Protagonistin, in die ich mich einfühlen konnte und eine Szenerie, von der ich nicht wusste, in welche Richtung es gehen würde, wo aber alles möglich war.
3. Katie Marsh wagt sich ja mit ihrem zweiten Roman “Du erinnerst mich an morgen” gleich wieder an ein eher schwieriges Thema heran. War es bei “Die Liebe ist ein schlechter Verlierer” der Schlaganfall eines eher jungen Patienten, wird nun eine frühe Alzheimererkrankung thematisiert. Gibt es andere eher tabuisierte/stiefmütterlich behandelte/aussergewöhnliche Themen, von denen du gerne öfter in Romanen lesen würdest?
Katia Marshs beide Romane zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf wunderbaren Recherchen beruhen. Egal, wie man sonst die Handlung findet, man muss ihr zugestehen, dass sie sich wirklich mit ihrer Hauptproblematik befasst hat/befassen musste und dass ihr die Beschreibung authentisch gelungen ist. Bei vielen Romanen, in denen Krankheiten oder Unfälle thematisiert werden, habe ich das Gefühl, dass sich der Autor zu wenig mit der Thematik befasst hat und dies darf meiner Meinung nach überhaupt nicht sein. Ich wünsche mir also in erster Linie eine gute Recherchearbeit, unabhängig der Thematik. Zudem finde ich, dass es mehr Bücher geben sollte, welche sich mit psychischen Erkrankungen befassen (wie “Libellen im Kopf” von Gavin Extence - hier geht es zur Rezension), mit Ausgrenzung oder auch mit Eltern, welche ihr Kind verlieren (wie “An einem Tag im Januar” von Christopher Coake - hier geht es zur Rezension). Man kann sich als Romanleser dann mit den Themen befassen und als betroffene Person vielleicht sogar ein wenig Trost oder auch eine andere Sicht auf gewisse Situationen gewinnen.
4. Du hast ja bereits andere Bücher zum Thema Alzheimer gelesen. Was hast du dir in Bezug auf die Darstellung dieser Krankheit von “Du erinnerst mich an morgen” erwartet? Wie sehr ist es der Autorin gelungen, deine Erwartungen zu erfüllen?
Ja genau, und ich habe auch schon in meinem Umfeld Erfahrungen damit gemacht. Und ich muss ehrlich sagen: ich bin immer wieder erstaunt, wie unterschiedlich sich die Krankheit bemerkbar macht und in welche Richtungen sich Menschen verändern, welchen diese Diagnose gestellt wurde. Von dem her war ich total gespannt, wie Katie Marsh dies meistern würde und ich bin der Meinung, dass es ihr sehr gut gelungen ist, Ginas Erkrankung darzustellen. Besondere Schlüsselmomente sind meiner Meinung nach die – bis zum Ende hin vorkommenden – Momente der Erkenntnis. Also das Gefühl, dass man etwas unwiederbringlich verloren/vergessen hat, das eine Leerstelle hinterlässt. Personen, Ereignisse, auch ganz nahe, geliebte Menschen. Das Heimtückische an der Krankheit ist ja, dass Betroffene oft sehr genau realisieren, dass sie vergessen oder zumindest, dass sie Erinnerungslücken haben oder dass sie die Person, die ihnen gerade gegenübersteht, eigentlich erkennen müssten, das Werkzeug, das sie in der Hand halten, eigentlich benützen können müssten. Dieser Schmerz über den Verlust äussert sich unterschiedlich. Manchmal durch Wut, Angst, Trotz, Apathie, aber auch totaler Fröhlichkeit, Überspielen und Übergehen der Situation...und Gina durchlebt diese Stadien unterschiedlich ausgeprägt (was ja auch typisch ist), aber sehr, sehr gut dargestellt. Was mich nur wirklich gestört hat waren zwei Dinge: Erstens nimmt Gina und ihre Geschichte immer weniger Platz ein im Buch und wird mehr und mehr zur Nebenerzählung und auch immer oberflächlicher thematisiert. Und zweitens schreitet Ginas Erkrankung viel zu schnell voran (oder das Buch macht enorme Zeitsprünge, die aber nirgends deklariert werden). Da hätte ich mir gewünscht, dass zum Beispiel am Anfang jedes Kaptitels ein Darum oder Monat steht. Das hätte für mich die zeitlichen Abstände klar erkennbar gemacht und wäre in sich logisch gewesen. So passte das für mich leider gar nicht zusammen.
5. Das Dreieck Gina (erkrankte Mutter), Lily (verkannte Tochter) und Zoe (Lost in Translation) bietet einigen Zündstoff, Reibungspotential aber auch spannende und berührende Reisen in die Vergangenheit. Wie hat sich deine Haltung den Figuren gegenüber im Verlauf der Geschichte verändert?
Mir geht es eigentlich wie dir, Patrizia. Zoe kann ich irgendwann gar nicht mehr ernst nehmen, sie wird gegen Ende total eindimensional und ihr Drama hat sich als ziemlich unbedeutend herausgestellt. Lily wäre wahrscheinlich eine sehr spannende Figur gewesen, zumal ihr neuer Beruf als Kinderbetreuerin sich gar nicht so sehr von anderen Pflegeberufen unterscheidet, da hätten viele Parallelen gezogen werden können. Ausserdem scheint sie mir trotz ihrer Blässe die Vernünftigste zu sein. Und Gina ist eine sehr spannende Figur, welche durch ihre Briefe eine Vorgeschichte erhält und sich im Nachhinein auch erklären kann, auch wenn sie sich gar nicht mehr an alles erinnert. Ich mag diese Figur eigentlich insgesamt am meisten und zwar vor allem darum, weil sie ihre Persönlichkeit trotz Veränderung behält und das ist total gelungen.
6. Ein wichtiger Bestandteil des Buches sind Briefe, die Gina an ihre Tochter Zoe (die ja mehr und mehr ins Zentrum der Handlung rückt) geschrieben hat. Wie hast du das (Spannungs-)Verhältnis zwischen erzählter, also konservierter Vergangenheit und rasant voranschreitender Gegenwart erlebt?
Die Briefe zeigen vor allem Ginas Sicht auf die Dinge, während die Gegenwart (unberechtigterweise und leider auch eher unnötig) Zoe und ihre Probleme, die ich nicht ernst nehmen kann, ins Zentrum stellt. In den Briefen wird Ginas Sicht auf vergangene Ereignisse und vor allem ihre Liebe zu Zoe (da wären mal noch die Briefe an Lily spannend) dargestellt, was mich teilweise sehr berührt hat. Dass die ganzen Missverständnisse und Irrungen und Wirrungen, die für die Handlung gar nicht nötig gewesen wären, respektive die Handlung sogar gebremst haben, durch die Lektüre der Briefe hätten aufgeklärt werden, hat mich geärgert. Hier wäre weniger mehr gewesen.
7. Der Titel “Du erinnerst mich an morgen” hat uns beiden Kopfzerbrechen bereitet. Nun ist das Buch seit einigen Tagen beendet. Fällt dir eine schlüssige Interpretation dazu ein?
Nun ja....nein. Der englische Titel “A Life Without You” passt da meiner Meinung nach viel besser und zwar nicht nur für die Mutter-Tochterbeziehung. Mehr sage ich aber nicht, das wäre Spoiler. Aber der deutsche Titel suggeriert ein Vorausdenken oder Vorwegnehmen, das so gar nicht stattfindet. “Du erinnerst mich an jetzt” oder so würde doch viel besser passen (aber natürlich weniger gut klingen) und so kann ich leider nur vorwerfen, dass der – zugegeben – pathetisch und erwartungssteigernd klingende Titel in erster Linie dem Verkauf dient.
8. Leider hat uns “Du erinnerst mich an morgen” mit eher gemischten Gefühlen und ziemlich enttäuscht zurückgelassen. Was hat dem Buch deiner Meinung nach gefehlt, um wirklich in sich stimmig und somit überzeugend zu sein?
Gefehlt hat dem Buch vor allem ein glaubwürdiger roter Faden. Dies hätte die Alzheimererkrankung von Gina sein können oder wahrscheinlich sogar müssen, denn so wird das Buch schliesslich verkauft. Tiefgang hat leider auch gefehlt, eine stimmige zeitliche Distanz zwischen den Kapiteln aber leider ebenfalls. Der fantastische, mitreissende und flüssige Schreibstil hätte mehr bessere, stimmigere Handlung verdient. Leider war da ein Zuviel von Wirrungen, die Autorin hat vielleicht zuviel gewollt oder nicht daran geglaubt, dass weniger Drama mehr Inhalt gewesen wäre, dass zwei starke Figuren und ihre vielschichtigen Charakter reichen. Stattdessen bekommt man mehrere halbpatzig ausgearbeitete Figuren mit viel unnötigem Drama. Da hätte mehr Stille, mehr Tiefgang, mehr Gesamtkonzept nicht geschadet.
9. Hast du darüber hinaus noch Buch- oder auch Filmtipps, die sich mit der Thematik “Demenz” beschäftigen?
Ein Buch, das ich gelesen habe, ist “Der alte König in seinem Exil” von Arno Geiger (hier geht es zu meiner Rezension). Dieser berührende und sehr einfühlsame Erfahrungsbericht eines Sohnes über seinen langsam erkrankenden und dadurch auch verschwindenden Vater hat es definitiv in sich. Mehr als Nebenhandlung erscheint die Erkrankung in “A History of Loneliness” von John Boyne (meine Rezension zum Buch) . Die Schwester des Protagonisten Odran ist dabei schwer an Alzheimer erkrankt und zieht sich mehr und mehr zurück, was auch ihm aufzeigt, wie einsam und auf sich selber gestellt er eigentlich ist. Eine sehr gute Freundin von mir, deren Tante dement ist, hat mir zudem das Buch “Dement, aber nicht bescheuert” von Michael Schmieder (hier könnt ihr euch das Buch auf der Verlagsseite ansehen) empfohlen, in dem der Heimleiter einer der besten Demenzklinken im deutschsprachigen Raum aus seiner täglichen Erfahrung mit Demenzpatienten und ihren Angehörigen erzählt. Er hat dabei vor allem die Würde des Patienten im Fokus, was ich wichtig und spannend zugleich finde.
Zuerst: das Cover gefällt mir sehr, sehr gut. Die kräftigen Farben und die Anordnung der einzelnen Blütenblätter/Erinnerungsstücke/Gedankenfetzen sind ein wahrer Blickfang und machen in meinem Bücherregal total etwas her :-) Auf mich wirkte das Cover aufgrund der Farben fröhlich und melancholisch zugleich, wie ein schmerzlicher Verlust, der aber trotzdem mit schönen Erinnerungen einhergeht. Dies hatte ich dann natürlich auch vom Inhalt erwartet. Fröhlichkeit habe ich zwar schon irgendwie bekommen, Drama auch (aber nicht dort, wo es gepasst hätte), aber Melancholie habe ich leider vergebens gesucht. Coverfan bleibe ich aber natürlich nach wie vor :-)
2. Ich persönlich hatte erst etwas Schwierigkeiten, mich auf Zoe einzulassen, dir fiel es im Gegensatz zu mir sehr leicht. Warum? Was fandest du an Zoe so faszinierend?
Zoe wirkte auf mich zwar nervös, aber stark und entschieden. Sie stand da, am Tag ihrer Hochzeit, unsicher, ob sie die richtige Entscheidung treffen würde und das hat mich berührt. Und zwar nicht, weil ich die Situation kenne oder mir wünsche, mir an meinem Hochzeitstag überlegen zu müssen, ob ich wirklich heiraten will, sondern weil ich da das Gefühl hatte, dass sie eine tragische Erfahrung mit sich herumschleppt, die ihr Leben stark beeinflusst hat und weiterhin beeinflussen wird. Sie hat verletzlich gewirkt. Und trotzdem habe ich mit allem gerechnet. Weil die Situation schon fast zu schrill geschildert war, hätte ich mir auch gut vorstellen können, dass es total humorvoll weitergehen könnte. Eigentlich war der Anfang für mich darum perfekt. Eine Protagonistin, in die ich mich einfühlen konnte und eine Szenerie, von der ich nicht wusste, in welche Richtung es gehen würde, wo aber alles möglich war.
3. Katie Marsh wagt sich ja mit ihrem zweiten Roman “Du erinnerst mich an morgen” gleich wieder an ein eher schwieriges Thema heran. War es bei “Die Liebe ist ein schlechter Verlierer” der Schlaganfall eines eher jungen Patienten, wird nun eine frühe Alzheimererkrankung thematisiert. Gibt es andere eher tabuisierte/stiefmütterlich behandelte/aussergewöhnliche Themen, von denen du gerne öfter in Romanen lesen würdest?
Katia Marshs beide Romane zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf wunderbaren Recherchen beruhen. Egal, wie man sonst die Handlung findet, man muss ihr zugestehen, dass sie sich wirklich mit ihrer Hauptproblematik befasst hat/befassen musste und dass ihr die Beschreibung authentisch gelungen ist. Bei vielen Romanen, in denen Krankheiten oder Unfälle thematisiert werden, habe ich das Gefühl, dass sich der Autor zu wenig mit der Thematik befasst hat und dies darf meiner Meinung nach überhaupt nicht sein. Ich wünsche mir also in erster Linie eine gute Recherchearbeit, unabhängig der Thematik. Zudem finde ich, dass es mehr Bücher geben sollte, welche sich mit psychischen Erkrankungen befassen (wie “Libellen im Kopf” von Gavin Extence - hier geht es zur Rezension), mit Ausgrenzung oder auch mit Eltern, welche ihr Kind verlieren (wie “An einem Tag im Januar” von Christopher Coake - hier geht es zur Rezension). Man kann sich als Romanleser dann mit den Themen befassen und als betroffene Person vielleicht sogar ein wenig Trost oder auch eine andere Sicht auf gewisse Situationen gewinnen.
4. Du hast ja bereits andere Bücher zum Thema Alzheimer gelesen. Was hast du dir in Bezug auf die Darstellung dieser Krankheit von “Du erinnerst mich an morgen” erwartet? Wie sehr ist es der Autorin gelungen, deine Erwartungen zu erfüllen?
Ja genau, und ich habe auch schon in meinem Umfeld Erfahrungen damit gemacht. Und ich muss ehrlich sagen: ich bin immer wieder erstaunt, wie unterschiedlich sich die Krankheit bemerkbar macht und in welche Richtungen sich Menschen verändern, welchen diese Diagnose gestellt wurde. Von dem her war ich total gespannt, wie Katie Marsh dies meistern würde und ich bin der Meinung, dass es ihr sehr gut gelungen ist, Ginas Erkrankung darzustellen. Besondere Schlüsselmomente sind meiner Meinung nach die – bis zum Ende hin vorkommenden – Momente der Erkenntnis. Also das Gefühl, dass man etwas unwiederbringlich verloren/vergessen hat, das eine Leerstelle hinterlässt. Personen, Ereignisse, auch ganz nahe, geliebte Menschen. Das Heimtückische an der Krankheit ist ja, dass Betroffene oft sehr genau realisieren, dass sie vergessen oder zumindest, dass sie Erinnerungslücken haben oder dass sie die Person, die ihnen gerade gegenübersteht, eigentlich erkennen müssten, das Werkzeug, das sie in der Hand halten, eigentlich benützen können müssten. Dieser Schmerz über den Verlust äussert sich unterschiedlich. Manchmal durch Wut, Angst, Trotz, Apathie, aber auch totaler Fröhlichkeit, Überspielen und Übergehen der Situation...und Gina durchlebt diese Stadien unterschiedlich ausgeprägt (was ja auch typisch ist), aber sehr, sehr gut dargestellt. Was mich nur wirklich gestört hat waren zwei Dinge: Erstens nimmt Gina und ihre Geschichte immer weniger Platz ein im Buch und wird mehr und mehr zur Nebenerzählung und auch immer oberflächlicher thematisiert. Und zweitens schreitet Ginas Erkrankung viel zu schnell voran (oder das Buch macht enorme Zeitsprünge, die aber nirgends deklariert werden). Da hätte ich mir gewünscht, dass zum Beispiel am Anfang jedes Kaptitels ein Darum oder Monat steht. Das hätte für mich die zeitlichen Abstände klar erkennbar gemacht und wäre in sich logisch gewesen. So passte das für mich leider gar nicht zusammen.
5. Das Dreieck Gina (erkrankte Mutter), Lily (verkannte Tochter) und Zoe (Lost in Translation) bietet einigen Zündstoff, Reibungspotential aber auch spannende und berührende Reisen in die Vergangenheit. Wie hat sich deine Haltung den Figuren gegenüber im Verlauf der Geschichte verändert?
Mir geht es eigentlich wie dir, Patrizia. Zoe kann ich irgendwann gar nicht mehr ernst nehmen, sie wird gegen Ende total eindimensional und ihr Drama hat sich als ziemlich unbedeutend herausgestellt. Lily wäre wahrscheinlich eine sehr spannende Figur gewesen, zumal ihr neuer Beruf als Kinderbetreuerin sich gar nicht so sehr von anderen Pflegeberufen unterscheidet, da hätten viele Parallelen gezogen werden können. Ausserdem scheint sie mir trotz ihrer Blässe die Vernünftigste zu sein. Und Gina ist eine sehr spannende Figur, welche durch ihre Briefe eine Vorgeschichte erhält und sich im Nachhinein auch erklären kann, auch wenn sie sich gar nicht mehr an alles erinnert. Ich mag diese Figur eigentlich insgesamt am meisten und zwar vor allem darum, weil sie ihre Persönlichkeit trotz Veränderung behält und das ist total gelungen.
6. Ein wichtiger Bestandteil des Buches sind Briefe, die Gina an ihre Tochter Zoe (die ja mehr und mehr ins Zentrum der Handlung rückt) geschrieben hat. Wie hast du das (Spannungs-)Verhältnis zwischen erzählter, also konservierter Vergangenheit und rasant voranschreitender Gegenwart erlebt?
Die Briefe zeigen vor allem Ginas Sicht auf die Dinge, während die Gegenwart (unberechtigterweise und leider auch eher unnötig) Zoe und ihre Probleme, die ich nicht ernst nehmen kann, ins Zentrum stellt. In den Briefen wird Ginas Sicht auf vergangene Ereignisse und vor allem ihre Liebe zu Zoe (da wären mal noch die Briefe an Lily spannend) dargestellt, was mich teilweise sehr berührt hat. Dass die ganzen Missverständnisse und Irrungen und Wirrungen, die für die Handlung gar nicht nötig gewesen wären, respektive die Handlung sogar gebremst haben, durch die Lektüre der Briefe hätten aufgeklärt werden, hat mich geärgert. Hier wäre weniger mehr gewesen.
7. Der Titel “Du erinnerst mich an morgen” hat uns beiden Kopfzerbrechen bereitet. Nun ist das Buch seit einigen Tagen beendet. Fällt dir eine schlüssige Interpretation dazu ein?
Nun ja....nein. Der englische Titel “A Life Without You” passt da meiner Meinung nach viel besser und zwar nicht nur für die Mutter-Tochterbeziehung. Mehr sage ich aber nicht, das wäre Spoiler. Aber der deutsche Titel suggeriert ein Vorausdenken oder Vorwegnehmen, das so gar nicht stattfindet. “Du erinnerst mich an jetzt” oder so würde doch viel besser passen (aber natürlich weniger gut klingen) und so kann ich leider nur vorwerfen, dass der – zugegeben – pathetisch und erwartungssteigernd klingende Titel in erster Linie dem Verkauf dient.
8. Leider hat uns “Du erinnerst mich an morgen” mit eher gemischten Gefühlen und ziemlich enttäuscht zurückgelassen. Was hat dem Buch deiner Meinung nach gefehlt, um wirklich in sich stimmig und somit überzeugend zu sein?
Gefehlt hat dem Buch vor allem ein glaubwürdiger roter Faden. Dies hätte die Alzheimererkrankung von Gina sein können oder wahrscheinlich sogar müssen, denn so wird das Buch schliesslich verkauft. Tiefgang hat leider auch gefehlt, eine stimmige zeitliche Distanz zwischen den Kapiteln aber leider ebenfalls. Der fantastische, mitreissende und flüssige Schreibstil hätte mehr bessere, stimmigere Handlung verdient. Leider war da ein Zuviel von Wirrungen, die Autorin hat vielleicht zuviel gewollt oder nicht daran geglaubt, dass weniger Drama mehr Inhalt gewesen wäre, dass zwei starke Figuren und ihre vielschichtigen Charakter reichen. Stattdessen bekommt man mehrere halbpatzig ausgearbeitete Figuren mit viel unnötigem Drama. Da hätte mehr Stille, mehr Tiefgang, mehr Gesamtkonzept nicht geschadet.
9. Hast du darüber hinaus noch Buch- oder auch Filmtipps, die sich mit der Thematik “Demenz” beschäftigen?
Ein Buch, das ich gelesen habe, ist “Der alte König in seinem Exil” von Arno Geiger (hier geht es zu meiner Rezension). Dieser berührende und sehr einfühlsame Erfahrungsbericht eines Sohnes über seinen langsam erkrankenden und dadurch auch verschwindenden Vater hat es definitiv in sich. Mehr als Nebenhandlung erscheint die Erkrankung in “A History of Loneliness” von John Boyne (meine Rezension zum Buch) . Die Schwester des Protagonisten Odran ist dabei schwer an Alzheimer erkrankt und zieht sich mehr und mehr zurück, was auch ihm aufzeigt, wie einsam und auf sich selber gestellt er eigentlich ist. Eine sehr gute Freundin von mir, deren Tante dement ist, hat mir zudem das Buch “Dement, aber nicht bescheuert” von Michael Schmieder (hier könnt ihr euch das Buch auf der Verlagsseite ansehen) empfohlen, in dem der Heimleiter einer der besten Demenzklinken im deutschsprachigen Raum aus seiner täglichen Erfahrung mit Demenzpatienten und ihren Angehörigen erzählt. Er hat dabei vor allem die Würde des Patienten im Fokus, was ich wichtig und spannend zugleich finde.
Verlosung zum Welttag des Buches 2017
Dank der Mitarbeiter des Diana Verlags hatten Livia und ich nicht nur die Möglichkeit, dass Buch schon vorab zu lesen. Wir können außerdem sogar gleich zwei Leser mit jeweils einem Exemplar (eines auf meinem Blog, eines auf Livias Blog) von Du erinnerst mich an morgen von Katie Marsh zum Welttag des Buches beschenken - natürlich in der deutschen Originalausgabe!
Was ihr für einen möglichen Buchgewinn tun/beachten müsst
- Hinterlasst einen Kommentar (das geht auch anonym ;-) ) unter diesem Blogpost und/oder unter dem Blogpost von Livia mit einer gültigen Emailadresse und erzählt uns, welches Buch dich zuletzt richtig bewegt hat.
- Eine doppelte Gewinnchance habt ihr, wenn ihr auf beiden Blogs mitmacht und kommentiert.
- Wenn ihr teilnehmen wollt, allerdings noch keine 18 Jahre alt seid, braucht ihr bei einem möglichen Gewinn unbedingt die Einverständniserklärung eurer Eltern!
- Die Verlosung läuft bis nächste Woche Samstag, den 29. April 2017, bis 23.59Uhr. Dann wird die Kommentarfunktion ausgeschaltet und der Gewinner via Zufallsgenerator ausgelost. Die Gewinner werden wir dann am Sonntag, den 30. April auf den Blogs bekannt geben und natürlich auch per Email kontaktieren! (mit Abschicken des Kommentars erklärst Du dich also damit einverstanden, dass wir deinen Vornamen oder Blognamen hier auf den Blogs veröffentlichen dürfen. Alle anderen persönlichen Daten, Adresse etc., werden selbstverständlich nach Beendigung des Gewinnspiels gelöscht!).
- Der Rechtsweg ist ausgeschlossen und eine Barauszahlung des Gewinns ist nicht möglich!
- Teilnehmen dürfen alle mit einem Wohnsitz in Deutschland, Österreich und Schweiz :)
- Die Buchgewinne werden unversichert verschickt, also als Buchsendung.
Wir hoffen, euch hat diese Form der Rezension wieder gefallen. Wir drücken euch die Daumen für die Verlosung!
Habt einen tollen Welttag des Buches :-)